Die Geschichte
vom
unglücklichen Mond
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Wieder neigte sich ein Tag seinem Ende zu und die Nacht brach an.
Müde war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, um neue Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln. Mit ihren letzten Strahlen zauberte sie lange Schatten auf die Erde.
Die ersten Sterne glitzerten wie Edelsteine am Abendhimmel.
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Schlaftrunken rieb sich der Mond die Müdigkeit aus den Augen und streckte seine Glieder aus.
Sein Blick fiel auf den gepackten Koffer und seinen Spazierstock neben dem Bett.
Dabei stieß er einen langen, tiefen Seufzer aus.
Die Zeit des Abschieds war also gekommen.
Noch in dieser Nacht würde er die Erde verlassen, um sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause zu machen.
Dieser Entschluss war dem Mond bestimmt nicht leicht gefallen.
Aber was blieb ihm anderes übrig?
Er musste in die Fremde hinaus.
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Keinen einzigen Tag länger hätte es der arme Mond ertragen. Immer, wenn er zum Leben erwachte, schliefen alle Kinder tief und fest.
Voller Hoffnung drehte der Mond noch eine letzte Runde um die Erde.
Vielleicht …?
Vorsichtig schaute er in die Kinderzimmer. Aber alles war wie immer. Nichts hatte sich geändert.
Die Kinder lagen in ihren Bettchen und gaben sich ihren süßen Träumen hin.
Und auch sonst bot sich dem Mond das übliche Bild.
Überall war es still und menschenleer.
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Die Kinderspielplätze waren leer …
… und die Schulhöfe waren leer …
… sogar die Vergnügungsparks ware leer.
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Ach, wie der arme Mond die Sonne doch beneidete. Den ganzen Tag lang konnte sie dem fröhlichen Treiben der Menschen zusehen.
Und alle liebten sie von ganzem Herzen.
Er hätte alles dafür gegeben, auch nur einen einzigen Tag mit ihr tauschen zu können.
“Dabei bin ich doch tausendmal schöner als die Sonne”, sagte er voller Stolz. “Warum verstecken sich die Menschen in ihren Häusern vor mir?”
“Diese Welt hat mich ganz einfach nicht verdient”, seufzte er niedergeschlagen. “Die Menschen wissen meine Schönheit nicht zu schätzen. Anderswo wird man mich für meine Pracht und Wohlgestalt bestimmt lieben.”
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Dabei hätte das Leben als Erdenmond doch so schön sein können.
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Schweren Herzens schnappte sich der Mond Stock und Koffer und verließ die Erde so rasch wie möglich, um sich in den endlosen Weiten des Weltalls eine neue Heimat zu suchen.
Immer kleiner wurde der Mond, bis er schließlich ganz im Schwarz der Nacht verschwand.
Und niemand auf der Erde schien sein Verschwinden bemerkt zu haben.
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“Hurra!”, jauchzte der Mond außer sich vor Freude, als er nach einigen Tagen schließlich einen Planeten entdeckte, der ganz seinen Vorstellungen entsprach.
Jubeln warf er Stock und Koffer beiseite, und riss seine Arme aufgeregt in die Höhe.
Er hatte ein neues Heim gefunden!
Und ein so hübsches noch dazu.
Der fremde Planet erstrahlte in einem wunderschönen Rot und sah ganz anders aus als die Erde. Fast noch ein bisschen hübscher.
Voller Ungedult stürmte der Mond auf den seltsamen Himmelskörper zu.
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Als der Mond ganz nahe an den roten Planeten herangekommen war, konnte er seine Enttäuschung jedoch kaum in Worte fassen. Es schien nämlich überhaupt kein Leben auf diesem Planeten zu geben.
Nur heftige Sandstürme fegten über dessen Oberfläche.
“Hallo!”, brüllte der Mond deshalb aus Leibeskräften, wobei er vor lauter Anstrengung selbst ganz rot wurde. “Ist denn hier niemand!”
Aber er bekam keine Antwort.
Also versuchte es der Mond noch einmal.
Und noch einmal.
Und noch einmal.
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“Was brüllst du hier herum wie ein Verrückter?”, ertönte plötzlich eine zornige Stimme hinter dem Mond. “Bist du von allen guten Geistern verlassen?”
Erschrocken fuhr der Mond herum und glaubte seinen Augen nicht zu trauen.
Ein fuchsteufelswilder fremder Mond kam so energisch auf ihn zugeschossen, dass dem armen Erdenmond angst und bange dabei wurde.
Dabei war der andere Mond doch viel kleiner als er selbst.
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“Gestatten, dass ich mich vorstelle!”, stammelte der Mond mit zitternder Stimme und versuchte dabei zu lächeln.
“Ich bin der Erdenmond und komme von sehr weit her, weil ich auf der Suche nach einem neuen Zuhause bin.”
Nach einer kurzen Pause fügte er dann seufzende hinzu: “Auf der Erde hatte niemand Augen für mich, also habe ich beschlossen, mein Glück in der Fremde zu suchen. Ein so schöner Mond wie ich hat nämlich etwas Besseres verdient. Ich möchte wie die Sonne geliebt und bewundert werden.”
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“Papperlapapp!” gab der fremde Mond zornig zurück. “Von wegen schöner Mond! Bei dir sind höchstens ein paar Schrauben locker. Dieser Planet hat keinen Platz für so atemberaubende Schönheiten wie dich. Also sieh zu, dass du die Kurve kratzt. Wäre ja noch schöner, wenn sich jeder dahergelaufende Mond bei uns niederlassen könnte. Auf Spinner und Vagabunden wie dich können wir hier gerne verzichen!”
Jetzt wurde auch der Erdenmond wütend. Was bildete sich dieser Wicht eigentlich ein?
“Wer bist du, dass du es wagst, mir Vorschriften zu machen, du Knirps!”, platzte es donnernd aus ihm heraus.
“Ich bin der Marsmond Phobos!”, zischte der fremde Mond verärgert. “Und wenn du dich nicht schleunigst aus dem Staub machst, wirst du mich erst so richtig kennen lernen. Und meinen Bruder Deimos gleich mit dazu. Ich hoffe, wir verstehen uns richtig!”
Und wie der Erdenmond verstanden hatte.
Er war ein friedlicher Geselle und hatte keine Lust auf einen Streit mit zwei fremden Monden.
Außerdem gefiel ihm dieser Planet plötzlich überhaupt nicht mehr.
Also wandte der dem roten Planeten rasch den Rücken zu setzte seine Reise durch die Tiefen des Weltalls fort.
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In der Zwischenzeit war auf der Erde das Chaos ausgebrochen, weil der Mond verschwunden war.
Ratlos blickten die Menschen Nacht für Nacht in den Himmel, um nach ihm Ausschau zu halten.
Und so manch einer vergaß dabei sogar ganz auf seinen Schlaf.
Aber der Mond blieb weiterhin spurlos verschwunden.
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Nicht einmal die Gelehrten, mit ihren schlauen Büchern und modernen Apparaten, wussten sich einen Rat und konnten das Verschwinden des Mondes erklären.
Stirnrunzelnd hatten sie sich in ihre Studierräume verkrochen, und grübelten und rechneten, bis ihnen die Köpfe dabei zu rauchen begannen.
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Am meisten vermisste aber Emil den Mond.
Stundenlang saß der Sohn des Leuchtturmwärters ganz oben auf dem Turm und hielt traurig Ausschau nach ihm.
Emil war sehr einsam auf der kleinen Insel vor dem Festland. Außer seinen Eltern gab es hier niemanden, mit dem er spielen konnte.
Emil war überzeugt davon, dass auch der Mond sehr einsam sein musste, so ganz alleine da oben am schwarzen Himmel.
Und deshalb liebte er den Mond auch so sehr.
Für Emil gab es nichts Schöneres, als mit seiner Malstaffel bei Kerzenschein auf der obersten Plattform des Leuchtturmes zu sitzen und seinen Freund zu malen.
Aber damit schien es nun für immer vorbei zu sein.
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Mittlerweile hatten sich die Regierungsoberhäupter aller Staaten der Erde versammelt und einstimmig beschlossen, eine Rakete auf die Suche nach dem Mond zu schicken.
Diese Rakete sollte den klingenden Namen LUNA 1 tragen, und war die größte und modernste Rakete, welche die Welt jemals gesehen hatte.
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Bald darauf startete LUNA 1 unter dem tosenden Applaus von vielen tausend Menschen und ließ sich von ihren gigantischen Triebwerken in den wolkenverhangenen Himmel tragen.
Alle Bordcomputer der Rakete waren darauf programmiert, den Mond zu finden und wieder zurück auf die Erde zu bringen.
Aber würde dies LUNA 1 auch wirklich gelingen?
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Die Hoffnungen des Mondes hatten sich in bittere Verzweiflung verwandelt.
Alle Planeten, die er bisher besucht hatte, waren als neues Zuhause für ihn nicht in Frage gekommen.
“Ich werde mich wohl damit abfinden müssen, dass ich niemals ein neues Heim finden werde”, dachte der Mond wehmütig und musste seine Tränen dabei unterdrücken.
Von der anstrengenden Wanderung hungrig geworden, ließ er sich zwischen schwebenden Felsbrocken nieder und machte sich über seinen Reiseproviant her.
Vielleicht brachte ihn das auf andere Gedanken.
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Währenddessen vertraute Emil seinen ganzen Kummer dem Tagebuch an, in das er jeden Abend vor dem Schlafengehen seine Gedanken niederschrieb.
Nur die Möwen saßen am Fenster und beobachteten ihn neugierig beim Schreiben.
Eine Träne kullerte dem Jungen über die Wange und tropfte auf das Papier, wobei ein hässlicher Tintenfleck entstand.
Aber im Augenblick hatte Emil andere Sorgen, als sich über solche Kleinigkeiten zu ärgern.
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Liebes Tagebuch!
Der Mond ist noch immer nicht zurück gekommen.
Ich glaube fast, dass ich ihn nie mehr wiedersehen werde.
Das macht mich sehr traurig.
Du weißt ja, wie sehr ich an ihm hänge, und wie viel Spaß es mir immer bereitet hat, den Mond zu malen und ihm dabei mein Herz auszuschütten.
Durch sein Verschwinden ist meine Einsamkeit noch größer geworden.
Ich würde alles dafür geben, ihn wieder am Nachthimmel sehen zu können.
Ach, liebes Tagebuch, was soll ich nur tun?
Emil
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Es dauerte fast eine Woche, bis es der Rakete endlich gelang, den Mond zwischen den Felsbrocken aufzuspüren, zwischen denen er sich verkrochen hatte, um sich ganz seinem Elend hinzugeben.
Der Mond staunte nicht schlecht, als LUNA 1 plötzlich vor ihm stand und aufgeregt mit ihren bunten Lichtern blinkte.
Er war so glücklich darüber, nach so langer Zeit wieder jemanden zu Gesicht zu bekommen, dass er der Rakete am liebsten um den Hals gefallen wäre.
Obwohl er nicht ganz verstehen konnte, was sie so weit draußen im Weltall zu suchen hatte.
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“Na, du bist mir vielleicht einer!”, keuchte die Rakete außer Atem von der tagelangen Flitzerei. “Hockst hier seelenruhig herum, während alle Welt nach dir sucht. Also, Manieren sind das keine, mein Lieber! Soviel weiß sogar ich, obwohl Computer in solchen Dingen bekanntlich nicht allzu begabt sind.”
“Wer sucht mich?”, fragte der Mond ungläubig.
“Alle suchen dich”, antwortete die Rakete. “Die Menschen sind ganz aus dem Häuschen, weil du verschwunden bist. Und es ist meine Aufgabe, dich wieder zurück zur Erde zu bringen.”
Der Mond spürte, wie die Worte der Rakete sein Herz zum Lachen brachten.
Aber warum sollten die Menschen nach ihm suchen, wo sie sich doch niemals um ihn gekümmert hatten?
Warum ihn plötzlich vermissen?
Band ihm die Rakete am Ende etwa einen Bären auf?
“Ach was!”, stieß der Mond schließlich hervor und stemmte sich in die Höhe. “Bevor ich hier in diesem Felshaufen noch ganz den Verstand verliere, kann ich auch gleich wieder mit dir zur Erde zurückkehren.”
Ein zufriedenes Lächeln huschte dabei über das Gesicht der Rakete.
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Wenige Minuten später machten sich LUNA 1 und der Mond auf den Weg Richtung Erde.
Der Mond konnte es kaum erwarten, endlich wieder seinen Heimatplaneten zu sehen, der doch der Schönste von allen war.
Auch die Rakete hatte allen Grund zur Freude, denn sie hatte ihren Auftrag erfüllt und würde dafür bestimmt mit allen Ehren ausgezeichnet werden. Sie freute sich schon darauf, zur berühmtesten Rakete aller Zeiten ernannt zu werden.
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Und so kam es, dass der Mond nach einigen Tagen wieder am Nachthimmel bei seiner einsamen Wanderung rund um die Erde zu sehen war.
Ganz so, wie er es schon seit einer Ewigkeit getan hatte.
Doch blad schon kehrte auch seine alte Unzfriedenheit darüber zurück, dass ihm die Menschen zu wenig Beachtung schenkten. Allzu schnell hatten sie wieder ihr Interesse an ihm verloren und verfielen in ihren gewohnten Trott. Und der ließ keinen Raum für einen Mond, der am Nachthimmel stand und sich Anerkennung und Bewunderung wünschte.
So war es immer gewesen.
Und so würde es bestimmt auch immer bleiben.
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Doch …
… als Emil eines Tages wieder die knarrende Wendeltreppe nach oben stieg, um ein neues Bild vom Mond zu malen …
… schnappten sich die Möwen sein Tagebuch und verschwanden damit in der schwarzen Nacht.
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So schnell sie ihre Flügel tragen konnten, flogen die Möwen zum Mond und gaben ihm das Tagebuch von Emil zu lesen. Sie wussten natürlich, dass man so etwas nicht macht, aber in diesem Fall war etwas anderes.
Der Mond sollte nie wieder die Erde verlassen und einen unglücklichen Emil zurücklassen.
“Ach!”, seufzte der Mond zu Tränen gerührt, als er die Zeilen in dem Tagebuch las. “Was für ein Dummkopf ich doch gewesen bin. Ich wollte mein Glück in der Ferne finden, und habe dabei ganz übersehen, wie nah es doch eigentlich liegt. Dafür danke ich euch, ihr lieben Möwen. Aber nun müsst ihr mich bitte entschuldigen, denn ich habe wohl noch einiges gut zu machen.”
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In dieser Nacht leuchtete der Mond besonders lange und hell über dem Leuchtturm …
… während die Möwen das Tagebuch wieder unbemerkt an seinen Platz zurück brachten.
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Emil war der glücklichste Junge auf der ganzen Welt.
Eine innere Stimme verriet ihm, dass ihn der Mond bestimmt nie mehr verlassen würde.
In dieser Nacht malte er so lange, bis ihm Müdigkeit die Augen zufielen und er in einen zufriedenen Schlaf sank.
Ach der Mond war überglücklich.
Nun hatte also doch jemand seine Schönheit bemerkt. Außerdem machte es ihm Spaß, gemalt zu werden und sich dabei von seiner besten Seite zu zeigen.
Das hatte er sich immer von ganzem Herzen gewünscht.
Für Emil war er allein der Star am Himmel. Und das schmeichelte ihm so sehr, dass sich der Mond schon auf die kommende Nacht mit dem kleinen Jungen am Leuchtturm freute.
Dann blies er ganz leise die Kerze aus und setzte fröhlich seine Wanderung über den Nachthimmel fort.
ENDE.